StrahlenschutzFokus: Ausgabe 1/2023

KKW im Rückbau – langfristige Überwachung durch das BfS

April 2023: Deutschland ist aus der Atomkraft zur Stromerzeugung ausgestiegen. Alle Kernkraftwerke (KKW) sind endgültig abgeschaltet und werden Schritt für Schritt rückgebaut – bis zur „grünen Wiese“. Doch während des Rückbaus gelangen weiterhin radioaktive Stoffe in die Umwelt. Deshalb müssen die Betreiberunternehmen auch während der Stilllegung und des Abbaus die Fortluft, also die Luft, die aus den Schornsteinen entweicht, und das Abwasser der KKW auf radioaktive Stoffe kontrollieren – genau wie während des Betriebes. Bei der Qualitätssicherung dieser betriebseigenen Messungen erfüllt das BfS eine wichtige Rolle.

Zu dieser Geschichte

Kernkraftwerke geben radioaktive Stoffe über Kamine und Abwasser direkt in die Umgebung ab. Üblicherweise ist dies aus Sicht des Strahlenschutzes unbedenklich. Um sicher zu gehen, werden diese Ableitungen, sogenannte Emissionen, von den Betreiberunternehmen gemessen. Zusätzlich erfolgen Messungen in verschiedenen Medien in der Umgebung der Kernkraftwerke, unter anderem in Trinkwasser, Pflanzen und im Boden. Das sind die Immissionen. Die Emissions- und Immissionsüberwachung erfolgt nach gesetzlichen Vorgaben. Das BfS kontrolliert im Auftrag der zuständigen Landesbehörden die Emissionsmessungen der Betreiberunternehmen. Davon handelt diese Story.

Die Standorte

In Deutschland gibt es 20 Standorte mit insgesamt 33 Kernkraftwerken, deren Emissionen noch überwacht und kontrolliert werden. Drei Kernkraftwerke sind bereits bis zur „grünen Wiese“ zurückgebaut.

Aus Anlagen, die endgültig abgeschaltet sind oder sich im Rückbau befinden, gelangen weiterhin radioaktive Stoffe über die Luft, die aus der Anlage entweicht, und das Abwasser in die Umwelt. Das ist normal, wird ständig kontrolliert und ist abhängig vom Fortschritt des Rückbaus der kerntechnischen Anlage. Die Genehmigungswerte für die Ableitungen radioaktiver Stoffe sind von der Aufsichtsbehörde so festgelegt, dass die Dosisgrenzwerte von je 0,3 Millisievert (mSv) pro Kalenderjahr nicht überschritten werden. Die Strahlendosis, die wir in Deutschland im Jahr durch die Ableitung radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen erhalten, liegt maximal bei 0,01 mSv.

Zum Vergleich: Kosmische und terrestrische Strahlung verursachen durchschnittlich jeweils eine Dosis von circa 0,3 mSv pro Jahr.

Zuständig für die Erfassung dieser abgeleiteten radioaktiven Stoffe, der sogenannten Aktivitätsableitungen, sind die Betreiberunternehmen oder ein von ihnen beauftragtes Labor. Das BfS kontrolliert diese Eigenüberwachung.

Sammeln, senden, messen und bewerten

Wie werden die radioaktiven Stoffe gesammelt?

Ein KKW im Rückbau: Über den Fortluftkamin und die Auffang- und Abklinganlagen der kerntechnischen Anlage gelangen radioaktive Stoffe mit der Luft und dem Abwasser in die Umwelt. Zur Bestimmung der Aktivitätsableitungen entnimmt in unserem Beispiel ein Mitarbeiter des KKW Proben aus der Fortluft und dem Abwasser.

Im Bereich der abgeleiteten Luft hat er verschiedene Möglichkeiten, radioaktive Stoffe zu sammeln:

  • Schwebstofffilter
  • Molekularsiebschüttungen
  • Natronlauge
  • Kondensat
  • Aktivkohleschüttungen

Neben der Sammlung von radioaktiven Stoffen auf Sammelmedien kann auch eine vergleichende Direktmessung (wie in der Abbildung gezeigt) als Kontrollmessung durchgeführt werden. Dies ist vor allem bei radioaktiven Stoffen mit kurzer Halbwertszeit, beispielsweise radioaktiven Edelgasen, der Fall.

Im Bereich Abwasser entnimmt er Proben aus den sogenannten Übergabebehältern, großen Tanks innerhalb der Anlage, in denen das Abwasser gesammelt wird.

Alle Proben untersuchen die Betreiberunternehmen selbst oder beauftragen dafür ein Labor.

Die Betreiberunternehmen messen regelmäßig und verschicken die Proben an das BfS

Der Mitarbeiter in unserem Beispiel sendet die Proben sowie die dazugehörigen Datenblätter und Messergebnisse an die jeweiligen Labore des BfS. Er stellt dabei sicher, dass das Versandstück die Bedingungen des regulären Postversands erfüllt. Im Fall des Schwebstofffilters kann dieser per Maxibrief ans BfS geschickt werden, wenn die Aktivität der anhaftenden radioaktiven Stoffe unterhalb der sogenannten Freigrenzen liegt.

Abhängig vom Sammelmedium bekommt das BfS wöchentlich bzw. quartalsweise Proben von kerntechnischen Anlagen. Im Bereich Fortluft kommen Molekularsiebschüttungen in Edelstahlpatronen über eine Spedition. Schwebstofffilter und andere Proben haben maximal die Größe eines Kaffeefilters und passen, wie auch in unserem Beispiel, in einen Maxibrief.

Im Bereich Abwasser wird die Probe in einem 1-Liter-Probenbehälter abgefüllt und als Paket an das BfS gesendet.

Die mitgesandten Datenblätter enthalten alle Informationen, die die Probe eindeutig kennzeichnen und für die Bestimmung der Aktivität notwendig sind: beispielsweise Zeitraum der Probenentnahme und Luftdurchsatz durch das Medium. Der Luftdurchsatz gibt an, wie viele Kubikmeter Luft in einer Stunde durch den Filter geströmt sind.

Das BfS sichert die Qualität der Messungen

Der Brief mit dem Schwebstofffilter des KKW ist im Labor des BfS angekommen.

Das BfS führt im Auftrag der zuständigen Landesbehörden nach einem festgelegten Messprogramm stichprobenartig Kontrollmessungen durch. Je nach Art der gesammelten radioaktiven Stoffe werden die Proben analytisch aufbereitet und anschließend – so lauten die Fachbegriffe alpha-, beta- oder gammaspektrometrisch untersucht.

Diese Verfahren sind standardisiert und in den Messanleitungen für die „Überwachung radioaktiver Stoffe in der Umwelt und externer Strahlung“ für jede Leitstelle veröffentlicht.

  • Leitstelle für Trinkwasser, Grundwasser, Abwasser, Klärschlamm, Abfälle und Abwasser aus kerntechnischen Anlagen: bmuv.de/WS3699
  • Leitstelle für Fortluft aus kerntechnischen Anlagen: bmuv.de/WS4991

Das BfS vergleicht die ermittelten Messergebnisse mit denen der Betreiberunternehmen und erstellt einen vergleichenden Bericht für die zuständigen Landesbehörden. Dieser Bericht wird auch den Kontrollierten zur Verfügung gestellt.

Auf diese Weise bekommt das BfS jährlich etwa 6.000 Proben aus dem Bereich Luft, von denen ca. 1.500 stichprobenartig ausgewertet werden. Im Bereich Abwasser bekommt das BfS etwa 900 Proben und wertet 350 davon aus.

Wie lange wird noch kontrolliert?

Die Überwachung der Anlagen im Rückbau sowie der Forschungseinrichtungen ist eine langfristige Aufgabe.

Die Kontrolle erfolgt so lange, bis von der zuständigen Aufsichtsbehörde die Überwachung radioaktiver Emissionen als nicht mehr erforderlich erklärt wird oder die Anlage aus der atom- und strahlenschutzrechtlichen Überwachung entlassen ist.

Was langfristige Überwachung bedeutet, kann man am KKW Würgassen sehen. Es wird seit fast 30 Jahren überwacht – die endgültige Abschaltung war 1994, seit 1997 befindet sich das KKW Würgassen im Rückbau. Die Betreiberunternehmen veranschlagen für den Rückbau der letzten KKW meist eine Dauer von 10 bis 15 Jahren.

Auch wenn alle kerntechnischen Anlagen abgeschaltet sind, werden noch radioaktive Stoffe über Fortluft und Abwasser abgeleitet. Das BfS leistet als Instanz zur Qualitätssicherung der betreibereigenen Messungen einen wichtigen Beitrag zum sicheren Betrieb und Rückbau der Anlagen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Strahlenbelastung der Bevölkerung durch künstliche radioaktive Stoffe so gering wie möglich gehalten wird.