StrahlenschutzFokus: Ausgabe 1/2021

Startklar für den radiologischen Notfall: das Radiologische Lagezentrum

Im März 2011 verursachte ein Tsunami schwere Schäden am Kernkraftwerk (KKW) in Fukushima. Für Deutschland hatte das keine unmittelbaren radiologischen Folgen. Aber politische: Die Bundesregierung beschloss zum einen den Atomausstieg. Zum anderen verankerte sie gesetzlich, die Erkenntnisse aus Fukushima im Notfallschutz umzusetzen und das Radiologische Lagezentrum des Bundes (RLZ) zu errichten.

Das Ziel: durch die reibungslose Zusammenarbeit aller Akteure auf einen radiologischen Notfall noch schneller reagieren und die Menschen noch besser schützen können – z. B. bei einem KKW-Unfall, einem Terroranschlag oder anderen radiologischen Notfällen. Eine wichtige Rolle übernimmt dabei das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Wie das RLZ arbeitet, zeigt das folgende fiktive Beispiel.

Der Notfall

In einem deutschen KKW fällt der Strom aus. Auch die Notstromaggregate springen nicht an – es kommt zur Kernschmelze. Radioaktives Material entweicht in das Reaktorgebäude. Der Druck steigt und muss abgelassen werden. Radioaktives Material wird in die Umwelt freigesetzt.

Es ist ein radiologischer Notfall, der ganz Deutschland betrifft. Sofort alarmiert der*die KKW-Betreiber*in die Katastrophenschutzbehörden und die Aufsichtsbehörden des Bundeslandes. Auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) wird direkt über den schweren Unfall informiert.

Gezeichnet ist ein abstrahiertes Kernkraftwerk.
Illustrierte Person in Arbeitskleidung, telefonierend. Dahinter: ein vereinfachter Querschnitt durch ein Reaktorgebäude

Über 24/7-Rufbereitschaften aktiviert das BMU das RLZ. Dessen Akteure sind zwar an verschiedenen Standorten, doch sie kommen sofort virtuell zusammen. So ist das RLZ direkt einsatzbereit. Das oberste Ziel ist jetzt, die Bevölkerung bestmöglich vor der Radioaktivität zu schützen. Ein Ziel, für das die Akteure regelmäßig den Ernstfall trainieren.

Die Kopfstelle des RLZ bildet das BMU. Sie sorgt für den reibungslosen Informationsfluss innerhalb der Bundesregierung, zu den Ländern und der EU. Das BfS ermittelt die radiologische Lage und leitet potenzielle Schutzmaßnahmen anhand radiologischer Kriterien ab. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) bewertet den Zustand des KKW und überprüft zusammen mit der Kopfstelle den Quellterm des Anlagenbetreibers. Dieser zeigt, welche Radionuklide und wie viel Radioaktivität aus dem KKW freigesetzt werden.

Das Lagebild

Das BfS spielt fachlich eine zentrale Rolle im RLZ. Denn seine Arbeit bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte bei einem radiologischen Notfall. Daher beginnt das BfS sofort, das sogenannte radiologische Lagebild des Bundes zu erstellen. Das Dokument enthält zum einen:

Ein abstrahierter, leicht aufgeklappter Ordner.

Informationen zum Unfallgeschehen und zum Zustand des KKW

Ein abstrahiertes Diagramm.

Den Quellterm

Ein abstrahiertes technisches Gerät.
Umriss einer Deutschlandkarte mit Wetterdaten.

Prognosen zur Ausbreitung der radioaktiven Wolke

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des radiologischen Lagebildes sind Prognosekarten, die das BfS mithilfe des sogenannten RODOS-Systems erstellt: Das System errechnet aus aktuellen Informationen und Messergebnissen, wohin und in welcher Konzentration freigesetzte Radioaktivität weht und wo sie sich als Kontamination ablagert. Für diese Gebiete ermittelt RODOS dann die Kontamination in der Umwelt und die Strahlenbelastung für die Menschen.

Ergebniskarten visualisieren diese Prognosen und signalisieren mit unterschiedlichen Farben die zu erwartende Strahlenbelastung: Rot und Orange stehen für besonders stark oder stark belastete Gebiete. Blau zeigt eine geringfügige Belastung.

Illustriert sind: ein Radius in Sektionen, ein KKW in der Mitte mit aufsteigendem Pfeil sowie ein Hoch- und Tiefdruckgebiet.
Illustriert sind: ein Radius in Sektionen, ein KKW in der Mitte mit aufsteigendem Pfeil sowie ein Hoch- und Tiefdruckgebiet.

Die RODOS-Prognosekarten bilden zudem die Grundlage für den nächsten wichtigen Schritt: Aus ihnen leitet das BfS ab, wie die Menschen am besten geschützt werden können.

Der radiologische Notfallschutz

Die RODOS-Prognosen liefern die entscheidenden Daten für das BfS, um konkrete Empfehlungen für Schutzmaßnahmen im Falle eines radiologischen Notfalls abzuleiten. In den rot-orange gefärbten Gebieten auf der Prognosekarte ist die erwartete Strahlenbelastung besonders hoch. Hier sind die radiologischen Kriterien für frühe Schutzmaßnahmen erfüllt: Evakuierung, im Haus bleiben oder Jodtabletten einnehmen. Über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden die Katastrophenschutzbehörden der Bundesländer. Auch das Vieh in den Stall zu treiben oder Blattgemüse zu vernichten, kann zu den Maßnahmen zählen.

Die abgeleiteten potenziellen Schutzmaßnahmen sind Bestandteil des radiologischen Lagebildes.

Illustriertes Papier
Gerasterte Karte unterteilt in drei Flächen: rot, gelb, blau. Auf jeder Fläche ein Piktogramm: Tablettenbehälter, Salat, Haken.

Das fertige radiologische Lagebild stellt das BfS zusammen mit allen Informationen und Daten auf der Austauschplattform ELAN den anderen Akteuren im RLZ zur Verfügung. Die Kopfstelle des RLZ prüft das Lagebild und gibt es für alle weiteren beteiligten Behörden frei.

Die Katastrophenschutzbehörden der Bundesländer können nun über ELAN auf das Lagebild zugreifen, die Informationen prüfen, über die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung entscheiden und diese beschließen.

Ein abstrahierter Ordner mit der Aufschrift Lagebild.
Daten werden in die Plattform ELAN eingespeist. Hier symbolisch illustriert: über einem Kreis schwebende Ordner und Papiere.

Die Schutzmaßnahmen

Die Katastrophenschutzbehörden der Länder sorgen dafür, dass die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Menschen in einem radiologischen Notfall umgesetzt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Menschen aufgefordert werden, im Haus zu bleiben, Fenster und Türen zu schließen und gegebenenfalls Jodtabletten einzunehmen. In besonders stark betroffenen Gebieten können Evakuierungen der Menschen nötig sein.

Radiologische Notfälle wie in Fukushima können auch in Deutschland passieren. Das RLZ leistet mit Unterstützung des BfS einen wichtigen Beitrag, die Bevölkerung in Deutschland bei einem Notfall bestmöglich zu schützen.

Und auch wenn das letzte KKW in Deutschland abgeschaltet ist, bleibt das RLZ einsatzbereit. Denn zu radiologischen Notfällen kann es nicht nur durch Unfälle in deutschen KKWs kommen, sondern auch im angrenzenden Ausland, durch Terroranschläge oder beim Transport von oder beim Umgang mit radioaktiven Stoffen.



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In einem radiologischen Notfall analysiert das BfS die radiologische Lage.
Im Überblick: das RLZ

Weitere Informationen zum Radiologischen Lagezentrum des Bundes, seiner Arbeit und seinen Aufgaben finden Sie auch auf: www.bfs.de/rlz.

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